Grafenegg Academy 2022
Teil 1: Inspiration & AustauschVeröffentlicht: 07/06/2022
Die Grafenegg Academy verbindet aufstrebende Nachwuchstalente mit namhaften Musiker:innen in einem inspirierenden und edukativen Austausch. Colin Currie – Kurator gemeinsam mit Håkan Hardenberg – gibt persönliche Einblicke in die Konzerte der Grafenegg Academy.
Jeden Sommer kommen aufstrebende Musiktalente aus aller Welt zusammen, um mit Tutor:innen sowie bekannten Künstler:innen in Grafenegg eine besondere Gemeinschaft zu formen. Zusammen gehen sie einer neuen Art des Musizierens auf den Grund und finden dabei individuelle Ausdrucksformen. Betreut und kuratiert wird das Programm von Håkan Hardenberger und Colin Currie. Hier am Blog gibt Colin Currie einen ganz persönlichen Einblick in die Konzerte der Grafenegg Academy.
Wie kam es zu dem Programm «Fest der Instrumente» am 17. Juli?
Håkan und mich erfüllt dieselbe tiefe Verbundenheit mit den Meister:innen des 20. Jahrhunderts, den großen Werken der Klassik und späterer Epochen, aber vor allem auch mit der Musik der Gegenwart. Und so strahlt der visionäre Einfluss von Igor Strawinski wie ein Leuchtturm auf die Gesamtheit der aufgeführten Werke und wir ehren Größen wie Bela Bartók und Edgar Varèse.
Was erwartet die Besucher:innen an diesem ersten Konzertabend der Grafenegg Academy?
In diesem Konzert erleben wir die Brillanz und Schönheit, die zwei der großartigsten kreativen Köpfe des 20. Jahrhunderts hervorbrachten, wenn sie in Hochform waren – gemeint sind Igor Strawinski und Bela Bartók. Håkan und ich sehen diese Komponisten als richtungweisend für den Großteil der Musik, die wir spielen, ihre Prinzipien, ihre Inspiration und ihr direkter Einfluss spiegeln sich in so vielen, vielleicht sogar in allen Werken wider, die wir im Laufe unserer Karriere selbst aufgeführt haben. Von Helen Grime, die sich von diesen beiden Genies inspirieren ließ und diesen Einfluss in ihrem eigenen, einzigartig dramatischen Stil reflektiert und bricht, präsentieren wir hier ihr «Percussion Concerto» von 2019. Dieses Werk wurde für mich geschrieben und 2019 mit dem London Philharmonic Orchestra uraufgeführt. Es avancierte sofort an die Spitze meiner Konzertliteratur. Ich habe mehrmals mit Håkan als Dirigent daran gearbeitet, und während ich diese Zeilen schreibe, bereitet er die Uraufführung des neuen Trompetenkonzerts vor, das sie nun für ihn geschrieben hat. Helen ist für die stetige Erweiterung unseres Repertoires von großer Bedeutung und wir fühlen uns geehrt, sie hier an der Grafenegg Academy vertreten zu dürfen.
Welche Charakteristika weisen die gespielten Werke des Abendkonzerts auf?
Dem «Percussion Concerto» ist der zeitgenössische Kontext deutlich anzusehen, wie auch das Erbe von Strawinskis Klangwelt, vor allem in Bezug auf seine Kompositionen für Bläser und Blechbläser (Helens Hauptinstrument ist die Oboe). Echos der Choräle und Fanfaren der «Symphonies d’instruments à vent» durchdringen ihr Concerto, gepaart mit der für sie typischen Tiefe der Klangfülle, diesen schmerzhaft kraftvollen und unerbittlichen Basslinien, von denen ihre ausladende Klangsprache über weite Strecken getragen wird. Eines von Bartóks majestätischsten und eindrucksvollsten Werken, die «Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta», zeugt ebenfalls von meisterhafter instrumentaler Textur und Form, wobei diese die Instrumentengruppen umfasst, die jene von Strawinskis «Symphonien» ergänzen. Die Eröffnungsfuge des Werks kündigt eine Perfektion der Proportionen an, die uns durch rhythmische Pracht, schaurige Nachtmusik und eine vielgepriesene abschließende Katharsis führt.
Die Grafenegg Academy 2022 gipfelt in zwei Konzerttagen, an welchen Konzerte im Orchester sowie in Kammermusikensembles gespielt werden und der Beweis für die Arbeit während des Programms angetreten wird. Das erste Konzert am 17. Juli steht unter dem Motto «Fest der Instrumente», den Abend des 24. Juli krönt der Titel «Perpetuum Mobile». Jeweils um 18.00 Uhr erklingt im Schlosshof das Programm der Préludes, welche auf den darauffolgenden Konzertabend einstimmen.
Auch das Programm des Préludes trägt eine persönliche Note…
Die Musik von Edgar Varèse ist für Håkan und mich enorm bedeutsam. Der elektrisierende französisch-amerikanische Stil dieses Komponisten trifft genau unseren Geschmack – er kombiniert französische Sensibilität mit dem grandiosen Großstadtflair der Neuen Welt. Was er in «Intégrales» für die Blechbläserinnen und Blechbläser geschrieben hat, ist natürlich überragend (man beachte die Zahl der Posaunen – Tenor, Bass und ja, Kontrabass!), während die Fanfaren der Piccolotrompete und des sehr tiefen Horns noch heute von Komponist:innen aller Genres bewundert werden. Dieses Werk schockiert immer noch, es zieht einen in seinen Bann mit seiner atavistischen Kraft, seinem Lärm und auch seiner Zärtlichkeit, wenn diese Momente zugelassen werden.
Feierlaune kommt ebenfalls nicht zu kurz…
Kürzlich habe ich die Partitur einer großartigen und viel zu selten gespielten «Hommage à Edgar Varèse» erhalten – das «Ceremonial» des in wunderbarer Weise nicht einordnenbaren André Jolivet. Ein perfektes «Festival»-Stück, etwas zum Feiern und Erleben, das sich stark an Varèses Kompositionsstil für Schlagwerk orientiert und eine tief empfundene und ehrgeizige Hommage an einen Komponisten darstellt, der offensichtlich enorm einflussreich war. Håkan und ich sind große Bewunderer von Jolivet, sind Botschafter seiner Musik, und in diesem Zusammenhang haben wir für sein Werk «Heptade» unser eigenes Duo gegründet.
Wir spielen dieses Werk nun schon seit vielen Jahren und haben auch eine Aufnahme gemacht, die ein zentrales Element unseres Duo-Albums «The Scene of the Crime» bildet. Jolivet gehört zur Familie – und Varèse ist eine Vaterfigur. Håkan verband eine enge Beziehung mit dem legendären japanischen Komponisten Toru Takemitsu, der ihm sein gelassen-heiteres «Paths» widmete. Es lag auf der Hand, einige seiner Stücke hier mit einzubeziehen, und sie lassen sich wunderbar mit der Musik von Magnus Lindberg kombinieren, der ebenfalls ein herausragender Vertreter der zeitgenössischen Musik ist. Mark Simpsons brandneues Werk «Geysir» rundet das Eröffnungskonzert ab, seine Instrumentierung geht auf ein Werk aus vergangenen Zeiten zurück – auf Mozarts «Gran Partita». Simpson ist sowohl ein Klarinettenvirtuose als auch ein großartiger Komponist, und dieses Werk vereint seine beiden Fähigkeiten mit viel Flair und poetischem Ausdruck.